27.07.2013 Lasst uns tauschen

Heinz Eggert

Am Vormittag lese ich in meinem Heimatblatt, das ganz in meiner Nähe auf einem Gebirgsparkplatz das Auto einer tschechischen Familie, gestohlen worden ist.

Autodiebstähle sind ein Ärgernis in  unserem Dreiländereck. Auf allen drei Seiten.

Was Demagogen nicht schaffen, schaffen diese Diebstähle.

Misstrauen gegeneinander und Unsicherheiten machen sich breit. Alte Vorurteile leben wieder auf.

Natürlich sind es die Polen und die Tschechen, die unsere guten deutschen Autos klauen.

Während meine tschechischen Freunde erklärend auf die Zigeunerkonzentration (das man inzwischen Sinti und Roma sagen soll, wissen sie nicht) in der Grenzregion verweisen.

So hat jeder seine einfachen Erklärungen.

Ein klingeln an der  Haustür unterbricht meine Überlegungen.

Draußen steht eine Gruppe von Jugendlichen aus dem tschechischen Kinderheim gleich hinter unserer Grenze, die nur  300 m von unserem Haus entfernt ist.

Ihre Erzieher warten auf der anderen Straßenseite.

Ein junger großer brauner Cigan (wie sie sich selber gerne nennen) hält  mir eine Nähnadel  entgegen und fragt mich ein wenig aufgeregt  in Deutsch, ob ich sie gegen irgendetwas eintauschen würde.

Gespannt beobachtet die Gruppe unser Gespräch.

Jetzt bin ich verblüfft. Vielleicht sammeln sie für eine Feier, denke ich und frage: Zehn Euro?

Alle Jugendlichen schütteln den Kopf. Kein Geld!

Ja, was dann ? Ich bin unsicher, weil ich das Prinzip nicht kapiert habe.

Eigentlich kann man mit Geld doch immer alles regeln.

Was würdest du nehmen, frage ich direkt.  Ein Ei, sagt er.

O. k. sage ich, zehn Eier?  Mein Gott, wir haben`s doch.

Er schüttelt den Kopf.

Die Jugendlichen lachen. Kompromissbereit zeigt mir ein kleiner Dicker, drei Finger.

Also gehe ich ins Haus, packe fünf (!) Eier in eine Packung, nehme noch eine Riesenverpackung Gummibären mit und mache den Tausch perfekt.

Erleichtert bedankt sich  mein Tauschpartner. Die anderen freuen sich mit, während die Erzieher noch ein Erinnerungsfoto machen.

Dann erfahre ich, dass nach dem Hans -im -Glück -Prinzip jeder Jugendliche ein Tauschobjekt bei sich hat und sich selber einen Ansprechpartner suchen muss, um zu tauschen.

Das kostet Überwindung und Mut, denn Zurückweisung und Ablehnung drohen ja immer.

Respekt!

Dieses Erlebnis beflügelt meine Fantasie immer noch.

Vielleicht sollten das mal Erwachsene spielen.

Es könnte doch befreiend sein, wenn Status und Geld keine Rolle mehr spielen. Vielleicht schwinden dann auch die Vorurteile.

Das wäre doch einen Versuch wert!  Oder?

Heinz Eggert

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